Gesellschaft der Freunde der Klosterruine Sankt Wigbert Göllingen e. V.

1.jpg
10.jpg
12.jpg
14.jpg
15.jpg
16.jpg
2.jpg
6.jpg
7.jpg
8.JPG
turm_von_norden_im_abendlicht_august_2023.jpeg
01055838.jpeg
previous arrow
next arrow

Das Kapitell mit dem Zackenband

Um mittelalterliche Bauwerke verstehen zu können, sind oft die kleinen Details wichtig. Wenn wir auf diese Details achten, können wir lernen Zusammenhänge zu sehen, die uns sonst verborgen blieben.

Ein Beispiel hierfür sind die Zacken auf diesem Kapitell in der Krypta des Göllinger Klosterturms.

Diese Zacken ziehen sich auf Bändern aneinandergereiht um das Kapitell. Zusammen mit den stilisierten Blättern, sogenannte Palmetten, ergibt sich ein interessantes, lebendig wirkendes Ornament. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Kapitells im 12. Jahrhunderts hat die Gestaltung der Kapitelle in romanischen Kirchen eine rasante Entwicklung genommen. Von Frankreich her, vermittelt über das Rhein-Maas-Gebiet wurden Kapitelle zunehmend nicht mehr in der Form der typischen Würfelkapitelle der Romanik, sondern als sogenannte Kelchblockkapitelle gestaltet. Der Name kommt daher, dass sich aus einem runden Kelch nach oben hin ein quadratischer Block entwickelt.

Unser Kapitell zeigt dabei eine frühe Entwicklungsstufe des Kelchblockkapitells. Die Formen sind noch einfacher, nicht so verspielt und perfekt, wie in späteren Beispielen von Kapitellen mit dieser Ornamentik. Die Entwicklung kann man gut über den Vergleich des Göllinger Kapitells mit dem Kapitell der Mittelsäule der Oberkapelle der äußerst interessanten Doppelkapelle auf der Neuenburg in Freyburg (Unstrut) nachvollziehen.

Der Grundaufbau und die Gliederung sind beim Freyburger Kapitell sehr ähnlich. Sogar das Zackenband findet sich wieder. Allerdings zeigt die Ausführung eine herausragende Könnerschaft, die Formen sind elegant und schwungvoll plastisch aus dem Stein herausgearbeitet.

Zwischen beiden Kapitellen liegen wahrscheinlich etwa 50 Jahre. Als Entstehungszeitraum des Freyburger Kapitells wird das erste Viertel des 13. Jahrhunderts angenommen, während das Kapitell in der Göllinger Krypta wahrscheinlich in 1160er Jahren entstanden ist. Ein Zusammenhang zwischen den beiden Kapitellen ist durchaus möglich. Eher unwahrscheinlich aber ist, dass es sich um ein Früh- und ein Spätwerk desselben Künstlers handelt. Dennoch weisen weitere ähnliche Gestaltungsmerkmale auf Beziehungen zwischen der Doppelkapelle in Freyburg und dem Klosterturm in Göllingen.

Bei diesen Beziehungen handelt es sich am ehesten um eine baukünstlerische Tradition, eine locker verbundene Gruppe von Bauleuten und Steinmetzen, die gefördert von den Thüringer Landgrafen im 12. und 13. Jahrhundert eine Reihe herausragende Bauwerke im Herrschaftsbereich der Landgrafen geschaffen hat. Der Göllinger Klosterturm ist dabei - zusammen mit der Wartburg und der Runneburg - eines der frühen Beispiele. Der Naumburger Dom und die Doppelkapelle in Freyburg sind später, überwiegen im frühen 13. Jahrhundert entstanden. In allen Bauwerken, die zu dieser Bautradition gehören, finden sich Kapitelle mit Zackenbändern. Vielleicht eine Anregung, um sich auf die Suche zu begeben.